Eigenbedarfskündigung bei Vorhersehbarkeit – Bedarfsvorschau

BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 154/14
Wohnraummietrecht

Sachverhalt:

Der Mieter bewohnt aufgrund eines mit dem Vermieter im Mai 2011 abgeschlossenen Mietvertrags eine Zweizimmerwohnung. Das Mietverhältnis läuft auf unbestimmte Zeit. Im Februar 2013 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. Mai 2013. Als Grund für die Kündigung führte er an, seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem Abitur einen Auslandsaufenthalt angestrebt habe und sich derzeit in Australien befinde, werde im Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren und danach eine Arbeitsstelle bei einem Unternehmen antreten sowie ein berufsbegleitendes Studium an einer Berufsakademie aufnehmen. Sie sei deswegen an den Vermieter mit dem Wunsch herangetreten, eine eigene abgeschlossene Wohnung zu beziehen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt.

Die Tochter des Vermieters hatte im Juni 2012 ihr Abitur abgelegt und ab Ende August 2012 einen einjährigen Auslandsaufenthalt angetreten. Der Mieter widersprach der Kündigung. Er hat unter anderem geltend gemacht, die ausgesprochene Kündigung sei deswegen rechtsmissbräuchlich, weil der Eigenbedarf für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei. Der Vermieter hat auf Räumung der Wohnung geklagt.

Entscheidung:

Der BGH gibt dem Vermieter Recht. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung sei nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. In den Fällen, in denen ein Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsabschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt, liege kein Rechtsmissbrauch vor, wenn das künftige Entstehen des Eigenbedarfs zwar im Rahmen einer „Bedarfsvorschau“ zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber zu diesem Zeitpunkt weder entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen, habe. In diesen Fällen sei dem Vermieter schon ein widersprüchliches Verhalten nicht anzulasten.

Zudem werde durch den Abschluss des unbefristeten Mietvertrags kein schutzwürdiges Vertrauen des Mieters dahin begründet, dass eine spätere Eigenbedarfskündigung nicht auf solche Umstände gestützt werden, deren Eintritt für den Vermieter im Rahmen einer vorausschauenden Lebensplanung allgemein oder jedenfalls aufgrund konkreter Anhaltspunkte vorhersehbar gewesen wäre, von ihm aber nicht zumindest erwogen worden sei. Ein Rechtsmissbrauch in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens wird nur für die Fälle angenommen, in denen der Vermieter in Kenntnis oder in Erwartung der bei Vertragsabschluss nicht offenbarten, später aber geltend gemachten Eigenbedarfssituation einen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen hat, obwohl er einen befristeten Mietvertrag hätte abschließen können. Abgesehen von diesen Fallgestaltungen komme ein widersprüchliches Verhalten des Vermieters dann in Betracht, wenn er anlässlich des Vertragsschlusses von sich aus oder auf konkrete Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht habe.

Autor:
Newsletter

Wenn Sie sich für Urteile des BGH zum Immobilienrecht interessieren, können Sie kostenlos meinen Newsletter abonnieren. Ich informiere regelmäßig über neue Urteile.

Ähnliche Urteile